Mit Hand und Fuß

Manufaktur kommt vom lateinischen „manu factum“ und bedeutet so viel wie „mit der Hand gemacht“. In den letzten Jahren ist der Begriff zum Zauberwort der Luxusbranche geworden, um das sich im Kennerkreis wahre Legenden ranken und das bei den Konsumenten große Erwartungen weckt. „Manufaktur“ steht für Historie und Tradition, für Handwerkskunst und Know-how, für Nachhaltigkeit und echte Werte.

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Grundlage für die außerordentliche Qualität der neuen Uhren von A.Lange & Söhne ist eine hoch effiziente Fertigungsabteilung mit modernstem Maschinenpark.

Paradoxerweise wird die lateinische Lesart dem historischen Begriff heute mehr gerecht als bei seiner Schöpfung vor 200 Jahren im Zeitalter der industriellen Revolution. Damals ging es im Grunde überhaupt nicht um die Arbeit mit der Hand, sondern, ganz im Gegenteil, um deren schrittweise Abschaffung. Die Idee hinter der Manufaktur war, die zur Herstellung eines Produkts benötigten Gewerke unter einem Dach zusammenzufassen. Für den noch jungen Stand der Unternehmer hieß das hohe Wertschöpfung und vereinfachte arbeitsteilige Tätigkeiten, zum Teil mit maschineller Unterstützung – bis zum Fließband war es von da aus nur noch ein kleiner Schritt. Die zuvor noch handwerklich organisierte Uhrenbranche wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts völlig umstrukturiert, um den steigenden Bedarf an preiswerten Uhren zu decken. Amerikanische Uhrenfirmen wie Hamilton, Waltham, Elgin und Ingersoll leisteten Pionierarbeit, Erhard Junghans führte die rationalisierte Fertigung von Tisch- und Taschenuhren im Schwarzwald ein, und als nach dem Ersten Weltkrieg die Armbanduhr ihren Siegeszug antrat, hatten auch die Schweizer Uhrmacher längst das arbeitsteilige Prinzip der Manufaktur umgesetzt.

Kunst und Handwerk

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Die feinen und kostbaren Zeitmesser werden in der Tat mit der Hand gemacht.

Ausgenommen von diesem Modell waren indes stets die komplizierten Uhrwerke und Uhren, deren technische Komplexität oder kunstvolle Ausstattung eine serielle Montage nicht erlaubten. Doch auch diese Produkte profitierten von dem geballten Know-how, das sich unter dem Dach einer Manufaktur sammelte. Und natürlich beschwören die Marketingstrategen genau diese romantische Vorstellung von kreativer Zusammenarbeit, wenn sie heute das Wort Manufaktur benutzen. Die ganz und gar unromantische Seite der Manufaktur gibt es in der Uhrmacherei heute noch – in der Produktion der Einzelteile, wo es auf geringste Fertigungstoleranzen und höchste Präzision ankommt. Und sie ist wichtig wie eh und je: Damit sich ein Uhrenhersteller „Manufaktur“ nennen darf, muss er seine Uhrwerke selbst herstellen. Es reicht nicht aus, zugekaufte Einzelteile penibel nachzuarbeiten und zusammenzubauen. Die ganze Branche wacht eifersüchtig darüber, dass mit dem ehrenhaften Begriff kein Schindluder getrieben wird. Den besonderen Klang bezieht das Wort Manufaktur heute nämlich wieder aus seiner wörtlichen Übersetzung, denn die feinen und kostbaren Zeitmesser werden in der Tat mit der Hand gemacht. Und zwar nicht nur die hoch komplizierten Stücke, sondern nachgerade auch die vergleichsweise einfachen Zeitmesser, bei denen es auf höchste Qualität im Detail ankommt.

Qualität und Detail

Wilhelm Schmid - der CEO von Lange & Soehne

Wilhelm Schmid – der CEO von Lange & Soehne

Qualität im Detail war schon vor über 150 Jahren der USP der Uhren von A. Lange & Söhne, und heute noch ist man in der Glashütter Manufaktur besonders stolz auf die feine Verarbeitung der Uhrwerke – auch an Stellen, die nie ein Lichtstrahl erreicht. Dass Ferdinand Adolph Lange 1845 in dem abgelegenen Tal des Osterzgebirges begann, Bauernburschen zu Uhrmachern auszubilden, war unternehmerische Vision und gesellschaftliches Experiment zugleich. Im Gegensatz zum Schweizer Manufakturmodell „alles unter einem Dach“, das Antoine LeCoultre kurz zuvor im Vallée de Joux mit seiner „Grande Maison“ umgesetzt hatte, ermunterte Lange seine Gesellen jedoch, sich selbständig zu machen und zu spezialisieren. Sein Ideal war die „Raumschaft“, und so gab es nach einigen Jahren in Glashütte zahlreiche kleine Zulieferbetriebe, die sich auf Spezialteile und Dienstleistungen konzentrierten. Um die Jahrhundertwende beherbergte jedes zweite Haus eine Uhrmacherwerkstatt oder einen kleinen Produktionsbetrieb, in dem Zahnräder, Federn, Gehäuse, Schrauben, Zeiger, Zifferblätter und Gläser hergestellt wurden. Meister Lange konnte sich von allen das Beste aussuchen und so die Qualität seiner Taschenuhren ins Legendenhafte steigern.

Die Pflege der Handwerkskunst ist das erklärte Ziel der Uhrenmanufaktur Vacheron Constantin und gleichzeitig ihr wichtigstes Vermächtnis. Über 200 Jahre ununterbrochene Geschichte machen das vornehme Genfer Haus zur ältesten und wertvollsten Institution der Schweizer Uhrmacherzunft.

Die Pflege der Handwerkskunst ist das erklärte Ziel der Uhrenmanufaktur Vacheron Constantin und gleichzeitig ihr wichtigstes Vermächtnis. Über 200 Jahre ununterbrochene Geschichte machen das vornehme Genfer Haus zur ältesten und wertvollsten Institution der Schweizer Uhrmacherzunft.

Den Wandel zu einer integrierten Manufaktur vollzog die Lange Uhren GmbH unmittelbar nach der politischen Wende und der deutschen Wiedervereinigung, denn wegen der unter dem DDR-Regime veränderten Besitzverhältnisse musste die traditionsreiche Marke 1990 neu gegründet werden. Unter der visionären Anleitung durch den erfahrenen Manager Günter Blümlein und vor der Projektionsfläche des persönlichen Geschichtsbewusstseins von F. A. Langes Urenkel Walter Lange entstand eine Kollektion von Armbanduhren mit direkten stilistischen, technischen und qualitativen Bezügen zu den berühmten Taschenuhren. Grundlage für die außerordentliche Qualität der neuen Uhren von A. Lange & Söhne ist eine hoch effiziente Fertigungsabteilung mit modernstem Maschinenpark, wo mit neuesten Technologien ganz archaische Mechanismen konzipiert werden. Zu mechanischen Kunstwerken geadelt werden die Uhren indes erst durch den „human touch“: Gut die Hälfte der über 500 Mitarbeiter ist mit der Veredelung der maschinell vorgefertigten Einzelteile beschäftigt. Jede Komponente eines Uhrwerks – und das sind oftmals mehrere hundert Bauteile – wird zum Teil mehrfach entgratet, angliert, poliert, geschliffen, graviert, galvanisiert oder auf andere Weise nachbearbeitet, bevor sie zur Montage freigegeben wird. Über vierzig verschiedene Uhrwerke wurden seit der Neugründung konstruiert und entwickelt, an die zwanzig befinden sich aktuell im Programm, und jedes Jahr kommen ein, zwei neue hinzu. Dabei ist die Produktion mit schätzungsweise 5000 Uhren pro Jahr selbst nach den Maßstäben der hohen Uhrmacherkunst geradezu lächerlich gering. Aber mehr geht nicht: Der Unterschied zwischen Manufaktur und Fabrik liegt letzten Endes in der nicht völlig ausgereizten Rationalisierung sowie der Pflege der Handwerkskünste und dem Respekt vor ihrem Rhythmus.

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Pflege der Handwerkskunst

Die Pflege der Handwerkskunst ist das erklärte Ziel der Uhrenmanufaktur Vacheron Constantin und gleichzeitig ihr wichtigstes Vermächtnis. Über 200 Jahre ununterbrochene Geschichte machen das vornehme Genfer Haus zur ältesten und wertvollsten Institution der Schweizer Uhrmacherzunft. Am 17. September 1755 nahm der Uhrmachermeister Jean-Marc Vacheron seinen ersten Lehrling auf. Die Genfer Gesellschaft war damals streng getrennt in „Bürger“, die alle Rechte besaßen, sowie zugewanderten „Einwohnern“ und deren Kindern, den „Gebürtigen“ – wie Jean- Marc Vacheron. Diesen war noch bis 1745 der Zugang zum Uhrmacherberuf verwehrt gewesen, weshalb Vacheron erst spät (für damalige Verhältnisse) mit der Lehre beginnen konnte und bereits 24 Jahre alt war, als man ihn in die Genfer Zunftgesellschaft aufnahm – als „Cabinotier“, wie die selbständigen Handwerksmeister damals genannt wurden. Der Ausdruck „Cabinotier“ leitet sich von den „Cabinets“ im Dachgeschoss der Häuser her, wo Uhrmacher, Emailleure, Goldschmiede, Steinfasser, Vergolder und Graveure ihr Handwerk wegen der nur dort herrschenden optimalen Lichtverhältnisse ausübten.

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Graff Gründer und Edelstein-Spezialist Laurence Graff suchte, fand und handelte die kostbarsten, schweren und größten Diamanten.

Jean-Marc Vacherons Cabinet war sozusagen die Keimzelle einer Uhrenmanufaktur, die erst unter seinem Enkel Jacques- Barthélemy langsam Gestalt annahm. 1819 stieg der geschäftstüchtige François Constantin in das Unternehmen ein und schuf neue Strukturen sowohl im Vertrieb als auch in der Fertigung der immer komplizierteren, immer wertvolleren Uhren, die nun mit „Vacheron et Constantin“ signiert wurden. Im zwanzigsten Jahrhundert musste sich die kleine, aber feine Manufaktur den Herausforderungen der neuen Zeit stellen und zog sich vollends in die Nische der hochwertigen Zeitmesser zurück, in der die handwerklich geprägten Strukturen der Manufaktur nach altem Modell überleben konnten. Als die Marke 1996 unter die Fittiche der Richemont Luxury Group schlüpfte, war das historische Erbe der feinen Handwerkskünste noch völlig intakt. Behutsam, aber mit einem klaren Ziel vor Augen, wurden die alten Gewerke von Vacheron Constantin in neue Strukturen eingebettet und um einen Manufakturbetrieb nach modernstem Zuschnitt erweitert. Geschäftsführer Juan-Carlos Torres investierte klug und großzügig in den Aufbau einer eigenen Uhrwerkfertigung und ist heute in der glücklichen Lage, die wichtigsten Modelle der Kollektion komplett in Genf produzieren zu können. Dies ist die grundlegende Voraussetzung für die Auszeichnung mit der begehrten „Genfer Punze“, einem Qualitätsprädikat vergleichbar dem Feingehaltsstempel von Edelmetallen. Mit dem Unterschied, dass der „Poinçon de Genève“ neben qualitativen Kriterien auch technische Besonderheiten umfasst und strenge Anforderungen an die Ganggenauigkeit sowie an die Ästhetik stellt.

Tradition ist nicht alles

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Die Londoner Uhren- und Schmuckmanufaktur Graff ist erst 50 Jahre jung.

Um heute als Manufaktur Anerkennung zu finden, muss man weder besonders alt noch besonders groß sein. Ein gutes Beispiel hierfür gibt die neue Uhrenmarke Graff, ein Ableger der gleichnamigen Londoner Edelsteinschleiferei und Schmuckmanufaktur, die mit ihren 50 Jahren Unternehmensgeschichte nicht gerade ein Methusalem ist. Seine ersten beiden Juweliergeschäfte eröffnete Laurence Graff 1962 im Londoner Stadtteil Hatton Garden, damals 24-jährig wie einst Jean-Marc Vacheron. Im Gegensatz zu diesem übte Graff seine Kunst aber nicht in der Abgeschiedenheit seiner Werkstatt aus, sondern auf den glänzenden Parketts dieser Welt: Der Edelstein-Spezialist suchte, fand und handelte die kostbarsten, schwersten und größten Diamanten und erschuf sich ein Imperium mit eigenen Minen, Schleifereien und einem weltweiten Vertriebsnetz über eigene Läden. Die 2008 ins Leben gerufene Firma Graff Luxury Watches verdient ihren Manufakturstatus nicht wegen ihrer uhrmacherischen Meriten, denn die teilweise hoch komplizierten Uhrwerke werden ebenso wie die einfachen von spezialisierten Schweizer Ateliers bezogen. Dabei muss jedoch zur Ehrenrettung von Michel Pitteloud, dem CEO der Uhrenmarke, betont werden, dass die Designs und Anzeigen der hochwertigen Zeitmesser auf das Konto der Schmuckdesigner von Graff Diamonds gehen.

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Laurence Graff erschuf sich ein Imperium mit eigenen Minen und Schleifereien.

Auf die phänomenale Leistung von Graff Diamonds bezieht sich auch der Manufakturstatus der Marke, denn die Gehäuse der Armbanduhren sind facettiert wie Edelsteine – und nicht selten in einer aufwendigen Technik mit echten Brillanten ausgestattet. Die Herstellung dieser Uhrengehäuse erfolgt nach alter Meister Sitte in den Ateliers der Schmuckherstellung, wo Spezialisten mit besonderen Fertigkeiten und Kenntnissen beieinandersitzen, und Handwerk und Kunst miteinander verschmelzen. Und das ist schließlich der Grundgedanke der Manufaktur.

 

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